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Werner Stuhler
Leben und Werk

Meine Aufnahmen sind das Ergebnis langer und intensiver Laborarbeit. Durch meine Manipulation können Äcker und Felder zu Linien und Strukturen werden, sich Gräser in Fische oder fremdartige Hieroglyphen verwandeln und die Schnittflächen von Holz Blumenformen ähneln.

Werner Stuhler 2003 

Das Schaffen von Werner Stuhler zeichnet sich vor allem durch den intensiven Austausch mit Fotografenkollegen und anderen bildenden Künstlern der Nachkriegsavantgarde aus. Nur ein Jahr nach Beginn seiner Fotografenlehre in Wangen im Jahr 1948 gründete sich im süddeutschen Raum die Gruppe fotoform. Diese bestand aus aufstrebenden Fotografen, die kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Subjektivität als individuelle Welterfahrung erkannten und sich ihrer Wiederbelebung in der fotografischen Gestaltung verschrieben. Die Formensprache von fotoform beeinflusste den jungen Stuhler maßgeblich, obwohl er weder der Gruppe noch ihrer Nachfolgebewegung, der Subjektiven Fotografie, jemals offiziell beitrat.

Unter diesem Einfluss entwickelte er zunehmend seine eigene fotografische Position, die bald die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zog und durch Auszeichnungen honoriert wurde. Im Jahr 1952 erhielt er für das Bildnis eines Knaben die Goldmedaille der Internationalen Porträt-Ausstellung in Bologna, und nur zwei Jahre später die begehrte Photokina-Plakette. Ende der 1950er Jahre folgte schließlich seine Ehrung als einer der besten Fotografen des Jahres beim International Photography Year Book in London.

Diese Anerkennungen stärkten Werner Stuhlers Entschluss, seine Selbstständigkeit als Fotograf zu festigen. Er ließ sich in Hergensweiler bei Lindau nieder und baute schrittweise eine berufliche Basis mit Arbeiten für Herausgeber und Zeitschriften auf. Im Rahmen von Aufträgen für Reisebuchverlage unternahm er bis in die 1990er Jahre hinein zahlreiche Reisen nach Südeuropa und veröffentlichte vielfältig gestaltete Bildbände über die dortigen Landstriche.

In dieser produktiven Phase nutzte Stuhler die Gelegenheit, die eigene Weiterentwicklung seiner fotoexperimentellen Formensprache voranzutreiben. Unter der Ermutigung seines Bekannten Heinz Hajek-Halke erweiterte er seine Dunkelkammer zu einem professionellen Labor und führte dort Experimente mit Mehrfachbelichtungen, Montagen, Solarisationen, Tontrennungen, Maskierungen und Negativdrucken durch. Dabei blieb seine Verbindung zu fotoform bestehen und er pflegte den Kontakt zu einzelnen Mitgliedern, darunter Toni Schneiders:

Wir trafen uns häufig im Laden von Jay LeBrun in Bodolz bei Lindau. Der Laden des Ingenieurs LeBrun, der in seiner Freizeit als Erfinder von Fotoutensilien, als Buch- und Fotogeräteverleiher und als Alchimist für Fotochemikalien zu reüssieren versuchte, war auch ein inspirierender Austauschplatz für fotografische Neuerungen.

Werner Stuhler 2003

In seinen fotoexperimentellen Versuchen, die sich in ihrer Tendenz der Abstraktion und bildnerischen Verfremdung annäherten, erhielt Werner Stuhler auch Unterstützung von seinem Freund, dem Bauhausmaler Georg Muche. Als gemeinsames Projekt der beiden Künstler entstanden 1967 Aufnahmen von mumifizierten Eulen, die später sowohl fotografisch als auch malerisch überarbeitet und unter dem Titel "totentänze" veröffentlicht wurden.

Werner Stuhlers Schaffen lässt somit zwei wesentliche Komponenten der fotografischen Arbeit erkennen: die freie Arbeit, die seinen gestalterischen Willen und seine Experimentierfreude zum Ausdruck bringt, und die Auftragsarbeit, die den Schwerpunkt auf das dokumentarische Beobachten legt. Beide Arbeitsweisen stehen in direkter Wechselwirkung und stärken sich gegenseitig in ihrer künstlerischen Aussagekraft.

Das Archiv von Werner Stuhler findet in der Stiftung F.C. Gundlach neben den fotografischen Nachlässen der fotoform-Fotografen Toni Schneiders und Peter Keetman einen besonders geeigneten Aufbewahrungsort. Bei der Erforschung dieses Werkes entfaltet sich einerseits auf der Ebene der Fotografie ein regionales Netzwerk rund um den Bodensee, andererseits ermöglicht die wechselseitige Betrachtung eine genauere Spezifizierung der Bemühungen im Bereich der avantgardistisch-fotografischen Gestaltung in der Bundesrepublik Deutschland der 1950er Jahre.

Vita

  • 1927: Geburt in Nürnberg

  • 1937: Umzug nach Lindau, dort Besuch des Gymnasiums bis Kriegsbeginn

  • 1940er Jahre: Kriegsteilnahme und englische Kriegsgefangenschaft

  • ab 1948: Fotografenlehre in Wangen

  • 1962: beginnende Selbstständigkeit als Fotograf in Hegensweiler bei Lindau (Schwerpunkt auf Porträt- und Landschaftsfotografie)

  • zunehmende Veröffentlichungen in Zeitschriften und Verlagen wie für die SZ (Süddeutsche Zeitung) und die FAZ  (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

  • 1976: Veröffentlichung des Mappenwerks "totentänze" mit dem Bauhauskünstler Georg Muche

  • bis in die 1990er Jahre hinein: Reisen vorwiegend nach Südeuropa und die damit verbundene Veröffentlichung zahlreicher Landschaftsbildbände (Sizilien, Sardinien, Toscana)

  • 2018: Tod in Hergensweiler 

Ausstellungen / Auswahl

  • 2004: Werner Stuhler Fotografien von 1950 – 2004, Kulturzentrum am Münster, Konstanz

  • 1952: Internationale Porträt-Ausstellung, Bologna (Goldmedaille für Bildnis eines Knaben)

  • 1954, 1956 und 1958: Teilnahme an der photokina in Köln

  • 1959: International Photography Year Book, London (Auszeichnung zusammen mit Albert Renger-Patzsch)

  • 1962 und 1965: World Press Photo Awards, Amsterdam