Michael Lange
Leben und Werk
Als Autodidakt fotografierte Michael Lange über drei Jahrzehnte für Magazine (Stern / Spiegel / Geo / Art / Manager Magazin). Seit Mitte der 1990er Jahre verlagerte sich sein Interesse hin zu persönlichen Projekten und seit 2009 liegt sein Fokus gänzlich auf freien Werkserien. In dieser Zweiteilung in freie Fotografie und Auftragsarbeiten ähnelt das Lebenswerk von Michael Lange weiteren Archiven, die durch die Stiftung F.C. Gundlach bewahrt werden, von den Fotografen der fotoform aus den 1950er Jahren bis hin zu Langes Weggefährten Dirk Reinartz (1947-2004).
“Meine Bilder erzählen von der Sehnsucht nach Stille und Befriedung, nach Tiefe und Schönheit sowie dem Verlangen, sich selbst zu verlieren.”
Michael Lange, 2015
Michael Lange gelingt der Durchbruch beim stern in Hamburg 1981 mit einer Farbreportage über Handwerksgesellen auf der Walz. Im Folgenden fotografiert er Reisereportagen, covert Wissenschaftsthemen, fotografiert beispielsweise auch für die Deutsche Bahn und bei BMW. Bemerkenswert sind unzählige Künstlerporträts für Art. Für das Manager Magazin erschafft er einen ganz neuen Typus des Berufsporträts: den schamlos gewinnorientierten Unternehmer, Vorstand oder Manager als Sinnbild des entgrenzten Neoliberalismus. Nach Mitbegründung der Agentur Fox-Reportagen wird er Mitglied bei der Fotografenagentur Visum. Bei Michael Lange entsteht zunehmend das Gefühl, den beruflichen Höhepunkt bereits erreicht zu haben, zugleich setzt Ende der 1990er Jahre die grundlegende Umstrukturierung der Zeitschriftenlandschaft durch die fortschreitende Digitalisierung ein. Durch die Finanzkrise bleiben schließlich auch die gutbezahlten Jobs für Geschäftsberichte weg: Es sind diese Umbrüche, die Michael Lange den Anstoß geben, sich freien Serien zuzuwenden.
Seinen ersten Zugang zu dieser Arbeitsweise fand er mit der Serie LA Drive By 2010. Der Titel bezieht sich auf die Redewendung drive by shooting, und damit auf das schnelle, spontane Fotoschießen aus dem Auto, gleichzeitig aber auch auf die tatsächlich bedrohliche Atmosphäre in den abseitigen Straßen von Los Angeles. Es entsteht ein düsteres Porträt einer unwirtlichen Stadt. Unlösbar mit der Motivik verbunden ist die Ästhetik des Filmmaterials, dem schwarz-weißen Sofortbildfilm Polapan und dessen unkonventioneller Entwicklung. Schon hier wird klar: die Aufnahmen halten nicht alleine die vorbeiziehende Welt fest, sondern auch die fühlbare Spannung zwischen Motiv und Fotograf. Die im Vorbeifahren abfotografierte Stadtlandschaft eröffnet sich so am Ende doch nicht als Roadmovie, sondern als Psychogramm des Fotografen: „Durch Los Angeles zu fahren war, wie in mich selbst einzutauchen, an dunklen furchterregenden Orten meiner Angst zu begegnen. Es war ein permanenter Kampf gegen die inneren Widerstände“, und „mein Ziel bei dieser Arbeit war es, mich diesem Prozess auszusetzen und dadurch eine Veränderung und ihre eigene Bildsprache zuzulassen!“
Dieser Ansatz erweist sich als Schlüssel für die so begonnene und bis heute fortgesetzte Serie der Landschaftsthemen. Eine gelungene Landschaftsaufnahme hat für Lange immer eine Entsprechung in einer Empfindung, und so persönlich dies zunächst scheinen mag, liegt die Relevanz seiner Aufnahmen neben ihrem ästhetischen Reiz genau hier, im subjektiven Dialog des Fotografen mit seiner Umwelt. Wald, Fluss, Cold Mountain und Pond werden zu Spiegeln einer Gemütslage unserer Gesellschaft, die sich durch die Sehnsucht nach Befriedung charakterisieren lässt.
Immer wieder findet Lange im Prozess der bildnerischen Aneignung zu neuen bildsprachlichen Mitteln: Ob im Ringen um die Farbigkeit im Moment des schwindenden oder erwachenden Lichts, in der Setzung expressiver Bildaus- und anschnitte, in zugespitzten Schwarz-weiß Kontrasten oder Invertierungen und Sequenzen. Seit 2010 unterstützt durch Robert Morat und seiner Galerie ist es Michael Lange gelungen, sich auch mit seinen freien Arbeiten einen Namen in der Foto- und Kunstwelt zu machen.
Derzeit fotografiert Michael Lange am Teich. Das Archiv eines lebenden und arbeitenden Künstlers zu übernehmen, stellt eine besondere Herausforderung dar. Die Werke liegen nicht nur in Form von Diapositiven, Negativen und Prints vor, sondern können auch als kalibrierte, zum Print bereit gestellte Datei ins Archiv überführt werden. Der Werkbegriff wird also erweitert und neue logistische und technische Voraussetzung müssen für die Bewahrung des Archivs geschaffen werden. Geplant ist beispielsweise der Anschluss eines Bildbearbeitungsprogramms an die Werkdatenbank, so dass verschiedene Stadien der Bilddateibearbeitung erfasst werden können.
VITA
- 1953 Geburt in Heidelberg
- Auszug aus dem Elternhaus mit 16 Jahren
- Kauf der ersten Kamera, erste Arbeiten in den fotografischen Werkstätten des ‚Release' in Heidelberg
- Erste Auftragsarbeiten für Psychologie Heute in Mannheim
- Sozialreportagen für den Spiegel und andere Magazine
- Reportage im Kinderkrankenhaus Langenhorn, Hamburg
- Einstieg beim stern mit einer Farbreportage über Handwerker auf der Walz
- Aufträge für die florierende Hamburger Magazin-Landschaft: stern, Geo, Art sowie für die Deutsche Bahn und weitere Firmenkunden
- Gründung der Agentur Fox-Reportagen
- Eintritt in die Fotografenagentur VISUM
- Entstehung von Künstlerporträts für Art, Porträts von erfolgreichen Unternehmern für das Manager Magazin
- 2-jährige Auszeit, Distanzierung von der Arbeit im Magazinbereich
- Auftragsarbeiten für Geschäftsberichte
- Hinwendung zur freien Arbeit
- 1996 – 2000 LA DRIVE BY
- 2000 RAZORS EDGE
- 2005 LAMANI-TRIBE
- Seit 2010 Bei der Galerie Robert Morat
- 2012 WALD
- 2013 - 2023 CROWS
- 2014 FLUSS
- 2018 COLD MOUNTAIN
- 2019 SILENT MOMENTS
- 2021 KLEINOD
- 2022 BDU (Bilder der Unruhe)
- 2023 POND
AUSGEWÄHLTE AUSSTELLUNGEN
- 2023 Hartmann Projects, Stuttgart COLD MOUNTAIN
- 2023 Galerie F15, Bremen
- 2022 Robert Morat Galerie, Berlin COLD MOUNTAIN
- 2017 Palais für aktuelle Kunst, Glückstadt WALD
- 2017 Gallery Wouter van Leeuwen, Amsterdam WALD
- 2017 Domaine de Chaumont-sur-Loire WALD
- 2016 Landesmuseum Bonn The Flow Of Pictures FLUSS
- 2016 Kopeikin Gallery, Los Angeles WALD/FLUSS
- 2016 Wouter van Leeuwen Gallery, Amsterdam FLUSS
- 2015 Robert Morat Galerie, Hamburg FLUSS
- 2015 Photo Eye Gallery, Santa Fe NM WALD/FLUSS
- 2015 Alfred Ehrhardt Foundation, Berlin FLUSS
- 2015 Galerie Mikiko Sato, Hamburg
- 2013 L.A. Galerie – Lothar Albrecht, Frankfurt WALD
- 2013 Photo Festival La Gacilly, Frankreich
- 2013 Robert Morat Galerie, Hamburg WALD
- 2012 Alfred Ehrhardt Foundation, Berlin WALD
- 2012 Villa Ruh Fotofest Horizonte, Zingst WALD
- 2012 Galerie F5,6, München
- 2010 Robert Morat Galerie, Hamburg L.A. DRIVE-BY
- 2000 Postfuhramt, Berlin L.A. DRIVE-BY
BÜCHER
- COLD MOUNTAIN + Limited Edition 2021, Hartmann Books
- LA DRIVE-BY + Limited Edition 2018 Eigenverlag (Deutscher Fotobuchpreis GOLD)
- FLUSS + Limited Edition 2015, Hatje Cantz
- WALD + Limited Edition 2013, Hatje