Objekt des Monats: Das Farbdia
Neulich haben wir eine ganze Kiste voller Diapositive im Archiv gefunden, aus der wir das aktuelle Objekt des Monats gefischt haben: ein Kleinbild-Dia in Farbe, das F.C. Gundlach während seiner Hongkong-Reise im Februar 1961 belichtet hat. Diese Entdeckung wollen wir zum Anlass nehmen, um über die Frage zu reflektieren, warum bei vielen Fotografen, die im Auftrag arbeiteten, kaum Farbprints überliefert sind.
Am 23. Januar 1961 hob eine Boeing 707 der Lufthansa in Frankfurt ab, um den weiten Weg nach Hongkong auf sich zu nehmen. Mit an Bord: F.C. Gundlach, der mit seiner Leica im Handgepäck den Eröffnungsflug dokumentierte. Neben dem Auftrag fotografierte er vor Ort eine Reportage-Serie für die Film und Frau, um dem deutschen Publikum einen Eindruck der fernöstlichen Metropole zu vermitteln. Die eindrucksvollen Fotos erschienen noch im selben Jahr zusammen mit dem Text „Die Kronkolonie ihrer Majestät“ des Redakteurs Friedrich C. Piepenburg, der auf bemerkenswerte Weise die exotisierenden Vorstellungen des deutschen Publikums thematisiert:
„Hongkong ist nicht das, was man sich bei uns darunter vorstellt. Weder steht an jeder Straßenecke ein gedungener Meuchelmörder, noch winkt aus jedem Hauseingang ein zierliches Freudenmädchen, weder schaukeln im Hafen Piratendschunken, noch bevölkern gescheiterte Existenzen lärmende Bars. Auch klingen nicht silberhelle Glöckchen in lauschigen Gärten, die von kunstvollen Häusern mit artigem Schnitzwerk unter schweren, geschwungenen Dächern mit glasierten Ziegeln umgeben sind. Man schreitet nicht durch blumige Parks voller Goldfischweiher. Hongkong ist weder das China der Pearl S. Buck noch der zwielichtige Hafen so mancher auf Effekt heruntergekurbelter Abenteurerfilme. Es ist auch nicht das, was man in der Welt der Politik ‚das Schlüsselloch im Bambusvorhang‘ nennt. Es ist für Rotchina nicht die einzige Relaisstation zur westlichen Welt. Hongkong ist ein wundervoller, zauberhafter Unsinn, ist unerklärbar, ist das Leben selbst.“
Aber zurück zu unserem Objekt: Das Motiv auf dem Dia findet sich weder in der Publikation der Film und Frau noch gibt es einen korrespondierenden Farbprint in unserem Archiv. Es existiert allerdings ein ähnliches Motiv, das an derselben Stelle aufgenommen wurde und als Schwarzweiß-Druck vorliegt. Der Grund dafür ist folgender: Für seine Reportagen war Gundlach mit mindestens zwei Kameras unterwegs, um sowohl in Farbe als auch in Schwarzweiß zu fotografieren. Der Vorteil der Farbdias – das Bild ohne Umkehrverfahren im Positiv sehen zu können – erweist sich für die Überlieferung als Nachteil: Während von den Schwarzweiß-Negativen Kontaktabzüge und Drucke für die Bildredaktionen hergestellt wurden, wurden die Dias nicht geprintet, da man das Positiv ja direkt betrachten konnte – ganz ohne Print. Dass vorwiegend Schwarzweiß-Prints überliefert sind, lässt also keine Rückschlüsse auf den ästhethischen Wert der Farbfotografien zu, sondern ist vielmehr dem verwendeten technischen Verfahren und den Abläufen in den Redaktionen geschuldet.