Objekt des Monats:
Historische Perutz-Filmdosen und das Essigsäure-Syndrom
In diesem Monat präsentieren wir drei besondere Kleinbild-Filmdosen der Firma Perutz, die in unserem Archiv gefunden wurden. Diese historischen Schwarz-Weiß-Filme stellen nicht nur ein Stück Fotografiegeschichte dar, sondern verdeutlichen auch die Herausforderungen der Archivierung und Konservierung alter Filmmaterialien.
Die Firma Perutz, gegründet 1896, war ein Pionier in der Herstellung von fotografischen Filmen und Platten. Besonders bekannt wurde Perutz durch seine Röntgenfilme und die nach dem Ersten Weltkrieg entwickelten kontrastreicheren, doppelseitig begossenen Röntgenfilme. Ab 1927 brachte Perutz Spezialplatten für die Reproduktionsfotografie auf den Markt und produzierte ab 1932 den panchromatischen Rectepan-Film. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Perutz-Filme besonders im Fernsehbereich von großer Bedeutung, wo sie als Standard-Filmmaterial für Nachrichten- und Dokumentarfilme eingesetzt wurden. 1964 wurde das Unternehmen schließlich von Agfa übernommen, wobei viele Filme weiterhin unter dem Namen Perutz vertrieben wurden.
Die grüne Farbe der Filmschachteln waren übrigens typisch für Perutz und eine Art Wiedererkennungsmerkmal. Das Unternehmen führte die grüne Farbe auf die besonders hohe Gelb-Grün-Empfindlichkeit der ersten panchromatischen Emulsionen zurück, eine Eigenschaft, die im werbestrategischen Rahmen als Grünsiegel bezeichnet wurde.
Bei der Sichtung der Perutz-Filmdosen fiel uns sofort ein starker Essiggeruch auf – ein sicheres Zeichen für das Essigsäure-Syndrom (auch bekannt als Vinegar-Syndrom). Dieses Phänomen tritt auf, wenn ältere Filme aus Celluloseacetat mit feuchter Luft reagieren. Die saure Hydrolyse des Trägermaterials führt zur Bildung von Essigsäure, die nicht nur den typischen Geruch verursacht, sondern auch zur Zersetzung des Films führt. Die Emulsionsschicht wird brüchig und kann sich vom Träger lösen, was die Digitalisierung und Erhaltung des Materials erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Auch in unserem Fall lässt sich nicht mehr rekonstruieren, welche Aufnahmen ursprünglich auf den Filmen zu sehen waren.
Filme aus Celluloseacetat, auch als Sicherheitsfilme bekannt, wurden ab ca. 1925 bis heute verwendet und sind im Gegensatz zu den hochentzündlichen Cellulosenitratfilmen schwer entflammbar. Trotz ihrer Sicherheit sind sie nicht vor dem Essigsäure-Syndrom geschützt, das besonders bei unsachgemäßer Lagerung in warmen und feuchten Umgebungen auftritt. Wir können daher davon ausgehen, dass die Filmdosen nicht wie notwendig kühl und trocken gelagert worden sind.
Unsere drei Perutz-Filmdosen sind somit mehr als nur historische Artefakte; sie sind auch ein Zeugnis für die Herausforderungen, mit denen Archive und Nachlassverwalter:innen bei der Bewahrung von Filmmaterial konfrontiert sind. Der Geruch nach Essig und die sichtbaren Schäden am Filmmaterial erinnern daran, wie wichtig die richtige Lagerung und Pflege dieser wertvollen historischen Dokumente ist.
Bilder: © Peter Schulte, Hamburg