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Schaut her! Toni Schneiders

Retrospektive

Kunstmuseum Singen

03. Juli bis 18. September 2022

 

Toni Schneiders ist einer der stilprägenden Fotografen Deutschlands nach 1945. Mit seinen feinsinnigen Aufnahmen hat er entscheidend dazu beigetragen, die Bildsprache der fotografischen Avantgarde der 1950er Jahre zu erweitern. Als Mitbegründer der Fotografengruppe »fotoform« 1949 und als Teil der Bewegung »subjektive fotografie« seit 1952 entwickelte er eine eigene Bildästhetik, die unter Wahrung des Wirklichkeitsbezuges der individuellen Gestaltung und autonomen Bildwirklichkeit weiten Raum einräumt. Diese Betonung formaler Qualitäten und Mittel übertrug Toni Schneiders auch auf seine Reisefotografien aus aller Welt. Mit der Befreiung des fotografischen Ausdrucks begründeten Toni Schneiders und seine Weggefährten in der Nachkriegszeit eine Tradition, die bis in die aktuelle Fotografie hinein reicht.

2006 zeigte das Kunstmuseum Singen die letzte große Ausstellung zu Lebzeiten des Kamerameisters. Heute, nach Aufnahme und Aufarbeitung des umfangreichen Archivs und Nachlasses von Toni Schneiders in der Stiftung F.C. Gundlach in Hamburg, widmen die beiden Kooperationspartner dem seit 1952 bis zu seinem Tode am Bodensee lebenden Fotografen eine Gesamtschau, die ihn als »fotoformer«, als Porträtist sowie als Reise- und Landschaftsfotograf neu entdeckt. Möglich geworden ist diese Retrospektive sowohl durch die Mitwirkung der Tochter des Fotografen, Ulrike Schneiders, deren Kenntnis des Œuvres bei der Entstehung von Ausstellung und Buch von großer Hilfe war, als auch durch die wissenschaftliche Expertise von Sebastian Lux und Franziska Mecklenburg von der Stiftung F.C. Gundlach, die die Ausstellung unter Mitwirkung von Christoph Bauer vom Kunstmuseum Singen kuratieren. Längst sind viele der Schwarz-Weiß Aufnahmen von Toni Schneiders Klassiker der modernen Fotografie geworden. In der aktuellen Schau sind darüber hinaus erstmals bislang unveröffentlichte Motive aus dem Negativarchiv zu sehen.

Wirklichkeitsbezug und Gestaltungswillen – mit diesem doppelten Anspruch nimmt Toni Schneiders eine vermittelnde Position zwischen sachlich-dokumentarischer Darstellung und formalem Schaffen. »Einfach, klar und wahr«, so Toni Schneiders, sollte eine zeitlos gültige Aufnahme sein. Neben seine formalen Studien treten als zwei zentrale Entwicklungslinien seines Oeuvres das Menschenbild und das Reisebild. Nicht allein, aber zuerst die Aufnahmen der »fotoform«-Zeit sind gekennzeichnet durch die fokussierte Erfassung der subjektiv geschauten Gegenstände und Details bei gleichzeitiger Verdichtung zur bildhaften Form. Für seine präzise komponierten Aufnahmen fand er die Schönheit der grafischen Form in den einfachen Dingen in der Natur, in der Landschaft und im Alltag der Menschen. Mit bedingungslos fotografischem Blick wählte er Bildausschnitte, hob Linien, Konturen und Strukturen hervor und arbeitete einfühlsam mit vorhandenem Licht. In seinem unmittelbaren Lebensumfeld im Alpenvorland und auf Reisen in aller Welt hielt Toni Schneiders markante Moment der Wirklichkeit und des Lebens fest, deren Protagonist ein Mensch, ein Objekt oder eine Landschaft sein konnten. Bei aller Strenge in der Bildästhetik lassen seine Motive immer wieder die Anteilnahme des Fotografen erkennen. Mit Humor und Sensibilität setzte er sein Lebenswerk in eine menschliche Perspektive. Entschieden lotete Schneiders die Potentiale der Fotografie aus, pointierte Tonabstufungen vom höchsten Spitzenlicht bis zum tiefsten Kernschatten, entschlossene Nachbearbeitung in der Dunkelkammer und kontrastreiche Abzüge zählten zu seinem Repertoire. Im Gegensatz aber zu manch anderem Vertreter der »subjektiven fotografie« lehnte Schneiders für sich aufwendige Arrangements oder Inszenierungen, surreale Verfremdungen, Dunkelkammer-Experimente und abstrakte Fotografik ab. Seit den 1950er- Jahren entwarf Toni Schneiders nicht nur mit seinen Einzelaufnahmen, sondern auch mit seinen Fotostrecken für Fotobildbände ein neues Bild vom Bodenseeraum und Alpenvorland. Der aufkommende Tourismus und der Aufschwung des Verlags- und Zeitschriftenmarktes eröffneten dem Autorenfotografen reiche Möglichkeiten.

Toni Schneiders' Weggefährte Peter Keetman, mit dem ihn eine jahrzehntelange Freundschaft und ein steter Austausch zu allen Fragen der Fotografie verband, beschrieb 1999 Schneiders' Haltung wie folgt: »Toni Schneiders' herzerfrischende Art mit Menschen umzugehen, stand und steht seiner zurückhaltenden Bescheidenheit gegenüber. Soweit es sein eigenes Werk betrifft, und wenn er etwas ergreift und beginnt, so entsteht daraus – schlicht gesagt – photographische Kammermusik«.

Kunstmuseum Singen
Ekkehardstraße 10
78224 Singen
077 3185271
kunstmuseum@singen.de

Öffnungszeiten
Dienstag bis Freitag 14 – 18 Uhr
Samstag bis Sonntag 11 – 17 Uhr