Aus den Archiven I:
Wolfgang G. Schröter -
Das große Color-Praktikum
LVR-Landesmuseum Bonn
27. April bis 26. Juni2016
Farbfotografie! In den 50er Jahren hielt sie weithin Einzug in Fotoalben und Zeitschriften. Ihre blassen Pastelltöne prägen bis heute unser Bild dieser Zeit. Zugleich aber war Farbe in der Fotografie noch bis in die 60er Jahre ein weites Feld von Versuchen und Experimenten. Fotoindustrie und professionelle Farbfotografen schufen permanent neue Bildstrategien und kamen zu spektakulären visuellen Ergebnissen.
Zu den bemerkenswertesten Zeugnissen dieser Zeit zählen die Werke von Wolfgang G. Schröter: Ganzkörperfotogramme auf riesigen Diabahnen, Bewegungsstudien mit farbig gestaffeltem Stroboskop-Blitz, Röhrenbildschirm-Aufnahmen von elektronisch veränderten Porträtfotografien, Teleskopaufnahmen von Galaxien und Sternennebeln, die äquidensitometrisch – also nach Lichtintensität – in Farbflächen zerlegt wurden...
Seine Erfahrungen legte der Fotograf und Dozent 1966 in dem international vielbeachteten Lehrbuch „Das große Color-Praktikum“ nieder, dessen Titel wir nun für eine Präsentation seiner extrem farbigen, teils fast abstrakten Arbeiten aus dem Archiv der Fotografen in der Deutschen Fotothek verwenden.
Wolfgang G. Schröter etablierte sich in den 1950er Jahren als freier Bildjournalist und professioneller Farbfotograf in der DDR. Im Auftrag international operierender foto-optischer Unternehmen wie AFGA/ORWO in Wolfen und Carl Zeiss in Jena schuf er avantgardistische, ästhetisch und technologisch herausragenden Farbaufnahmen. Durch seine Kontakte zur Industrie hatte er freien Zugriff auf Materialien und exklusive technische Geräte. Finanzielle und ideologische Beschränkungen seitens der Auftraggeber waren kaum gegeben.
Schröters Umgang mit Farbe, Fläche und Kontur in der angewandten und der Wissenschaftsfotografie – zunächst analog, schon seit Beginn der 1970er Jahre auch auf Basis elektronischer Bilderzeugung – erweist sich als visionäre Bildleistung. Er antizipiert eine Medienkunst, deren Ausmaß erst mit der digitalen Revolution um die Jahrtausendwende ihre ganze Tragweite entfaltet.
Er setzt klassische fotokünstlerische Verfahren wie das Fotogramm ebenso ein wie die prä-digitale elektronische Bildauswertung und überträgt wissenschaftliche Motivwelten in die Werbe- und Kunstfotografie.
Seine farbfotografischen Arbeiten in Werbedruckschriften, Zeitschriften und auf Messeständen entsprechen der Ästhetik der westlichen Industrie- und Wissenschaftsfotografie und finden als solche dennoch Eingang in den Bildkanon der künstlerischen Fotografie in der DDR.
Mit den Werken Wolfgang G. Schröters aus den Archiven der Deutschen Fotothek erhalten wir in der Ausstellung die seltene und spannende Möglichkeit in äußerst komplexe, sowohl analoge als auch elektronische Prozesse der Bilderzeugung Einblick zu nehmen. Vor allem aber sehen wir einen Meister der frühen, kreativen und experimentellen Farbfotografie bei der Arbeit.
in Kooperation mit der Deutschen Fotothek und der Stiftung F.C. Gundlach